Botanische und ökologische Rahmenbedingungen der Eichelnutzung

Wer die wild wachsenden Früchte der Eichenbäume landwirtschaftlich nutzt, hat spezifischen Gegebenheiten, die durch botanische und ökologische Faktoren bestimmt werden, Rechnung zu tragen. Im Gegensatz zu den meisten Kulturpflanzen, deren Merkmale durch züchterische Bearbeitung mit der Zeit verändert worden sind, besaßen die von mittelalterlichen Bauern geernteten Eichenfrüchte keine anderen Eigenschaften als heutzutage reifende Eicheln. Die biologischen Gesetzmäßigkeiten, denen die Eichelbewirtschaftung vergangener Jahrhunderte unterlag, lassen sich daher auch unter Einbeziehung moderner naturwissenschaftlicher Erkenntnisse zur Eichen- und Eichelthematik rekonstruieren.

Früchte der Stiel- und Traubeneichen

Von den mehr als 400 weltweit vorkommenden Arten der Gattung Eiche (Quercus) sind in Mitteleuropa nur zwei heimisch, nämlich die Stieleiche (Quercus robur) und die Traubeneiche (Quercus petraea). Ihre Früchte, die Eicheln, werden zu den Nüssen gezählt. Sie enthalten für gewöhnlich nur einen, in seltenen Fällen auch zwei Samen. Während bei Traubeneichen die Früchte in größerer Zahl an sehr kurzen Stielen „traubenartig“ dicht beieinandersitzen, sind die Fruchtstände der Stieleichen mit deutlich längeren Stielen (2–7 cm) versehen. Darüber hinaus ähneln sich Trauben- und Stieleichen sowie ihre Früchte im Erscheinungsbild so stark, dass sie sich, besonders da schon die äußeren Merkmale zwischen Individuen einer Art beträchtlich variieren können, oftmals kaum eindeutig unterscheiden lassen.
Nach der Reife fallen die Eicheln in der Regel von September bis etwa Ende Oktober /Anfang November von den Bäumen. Angaben in der Literatur zum Tausendkorngewicht (ein für Saatgut verwendeter Kennwert für das mittlere Gewicht von 1000 Samenkörnern, hier also von 1000 Eicheln) reichen für Eicheln von Quercus petraea von 780 g bis 5170 g und für Eicheln von Quercus robur von 1680 g bis 5635 g – Stieleicheln sind demnach im Durchschnitt etwas größer bzw. schwerer als Traubeneicheln, wobei allerdings die Größen der Eichenfrüchte innerhalb eines einzigen Baumes, aber auch zwischen verschiedenen Mutterbäumen derselben Eichenart oftmals erheblich differieren (Schröder, S. 21; Aas, S. 6).


Eine Stieleiche in Aschaffenburg-Strietwald


Die Eiche, ...


... ein Blick in ihre Krone mit Fruchtständen im Juni, ...


... ihre Eicheln und ...


... daraus gewachsene Sämlinge.

(Eicheln dieses Baumes sind für ein Langzeitlagerungsexperiment verwendet worden, siehe Lagerung.)


Inhaltsstoffe von Eicheln

Eicheln zeichnen sich durch einen hohen Gehalt an Kohlenhydraten in Form von Stärke und Zucker (Glucose, Fructose und Saccharose) aus. Des Weiteren enthalten sie Fett bzw. Fettsäuren, v. a. Linol-, Öl- und Palmitinsäure, und Eiweiß sowie verschiedene Mineralstoffe, insbesondere Calcium, Phosphor, Magnesium und Kalium. (Vgl. Guthke, S. 22–30.; Golling, S. 35f.)

Kohlehydrat- und Eiweißgehalt von geschälten Eicheln verschiedener Herkunftsgebiete kurz nach der Ernte bezogen auf das Trockengewicht in % im Mittel:
Ernte 1988 Ernte 1989
Stärke Zucker Eiweiß Stärke Zucker Eiweiß
Quercus petraea 37,4 % 9,1 % 7,1 % 38,2 % 7,4 % 6,2 %
Quercus robur 38,7 % 9,4 % 7,4 % 39,8 % 7,5 % 5,6 %
(Quelle: Guthke, S. 169 u. 171)

Zu ihren Inhaltsstoffen gehören auch phenolische Verbindungen bzw. Polyphenole (sog. Gerbstoffe oder Tannine). Diese besitzen für Mensch und Tier bei richtiger Dosierung zahlreiche gesundheitsfördernde Wirkungen. (Vgl. Golling, S. 22f.; Kirstenpfad, S. 10)


Eicheln als Wildtiernahrung



Eichelhäher (Foto: Andy Morffew)


Die energiereichen Früchte der Eichen gehören zum Nahrungsspektrum zahlreicher im Wald lebender Wildtiere. Es handelt sich dabei um:

Dabei kommt Mäusen, insbesondere Rötel-, Wald-, Gelbhals- und Feldmäusen, unter allen Tieren, die Eicheln fressen bzw. als Wintervorrat vergraben, die größte Bedeutung zu.



Gelbhalsmaus (Foto: apodemus OG)


Bei verschiedenen forstwissenschaftlichen Feldstudien hat sich gezeigt, dass fast alle im Herbst auf die Versuchsflächen gefallenen Eicheln spätestens nach einem Monat verschwunden waren. Von Waldflächen mit dichtem Bodenbewuchs, der kleinen Nagetieren gute Deckung bot, wurden sie besonders rasch fortgetragen. Dort gab es schon nach wenigen Tagen keine unbeschädigten Eicheln mehr. Nur Früchte, die von Schädlingen oder Fäulnis befallen waren, wurden von den tierischen Eichelkonsumenten offenbar erkannt und liegengelassen. (Kühne (2004), S. 68f.; den Ouden/Jansen/Smit, S. 226–228; Reif/Gärtner, S. 85)



Eurasisches Eichhörnchen (Foto: Luidmila Kot)


Für die Eichelmast von Schweinen im Wald stand also im Wettstreit mit der Waldfauna nur ein begrenztes Zeitfenster zur Verfügung. In einem Jahr mit hohen Eichelerträgen konnte es also um der optimalen Erntenutzung willen äußerst ratsam sein, über die Waldweidegänge der Schweineherden hinaus auch Eicheln aufzulesen und einzulagern.

Fruktifikation der Eichenbäume

Die Fruchtbildung bei Stiel- und Traubeneichen unterliegt, wie bei vielen Waldbäumen, starken jährlichen Schwankungen. Während die Eichelerträge in manchem Herbst äußerst ergiebig (Vollmast) oder zumindest mäßig (Halbmast) ausfallen, gibt es auch immer wieder Jahre, in denen nur wenige (Sprengmast) oder so gut wie keine (Fehlmast) Eicheln reifen. Beim Umfang der Fruchterzeugung weisen die Eichenbäume eines Bestandes, aber nicht selten auch die Eichenbestände ganzer Regionen, ein synchrones Verhalten auf.

Zeitreihen zum Mastverhalten von Eichen:

Um die Unregelmäßigkeit bei der jährlichen Samenproduktion der Eichenbäume auszugleichen, gab es zu den Zeiten, da Eicheln als wertvolles Futtermittel betrachtet wurden, gute Gründe, in ergiebigen Mastjahren gesammelte Vorräte langfristig aufzubewahren. Doch aufgrund bestimmter physiologischer Eigenschaften stellen Eicheln ein höchst problematisches Lagergut dar, dessen dauerhafte Bevorratung nur mithilfe spezieller Lagerungsmethoden gelingen kann.

Literatur

Aas, Gregor: Quercus petraea. In: Enzyklopädie der Holzgewächse, Handbuch und Atlas der Dendrologie. Teil III‑2. 20. Erg. Lfg. 6/00, S. 1-16 [WWW-Link]

Cafferty, Steve: Kosmos-Atlas Bäume der Welt. Stuttgart 2008

Den Ouden, Jan / Jansen, Patrick A. / Smit, Ruben: Jays, Mice and Oaks: Predation and Dispersal of Quercus robur and Q. petraea in North-western Europe, in: Seed fate: predation, dispersal and seedling establishment, hrsg. v. P. M. Forget, J. E. Lambert, P. E. Hulme, S. B. Vander Wall, Wallingford/Oxfordshire 2005, S. 223–239 [WWW-Link]

Golling, Kristina: Phenolische Inhaltsstoffe in Eicheln (Früchte von Quercus spp.) sowie im Harn von Schweinen bei Nutzung von Eicheln als Futtermittel. (Diss.) Hannover 2008 [PDF-Link]

Guthke, Jörg: Langzeitlagerung von Eichensaatgut - Probleme und Möglichkeiten. (Diss.) Hannover 1992

Haane, Antonius: Zum Fruktifikationsgeschehen von Eiche und Buche für Bayern in den Jahren 1965 bis 2003. (Masterarbeit) München 2020 [PDF-Link]

Kirstenpfad, Anja: Die Gewinnung eines verzehrfertigen Eichelmehls. (Bachelorarbeit) Neubrandenburg 2014 [PDF-Link]

Kocher, Daniel: Die Verjüngung der Stieleiche (Quercus robur L.) im mitteleuropäischen Auenwald. Freiburg [PDF-Link]

Konnert, Monika / Schneck, Dagmar / Zollner, Alois: Blühen und Fruktifizieren unserer Waldbäume in den letzten 60 Jahren. In: LWF Wissen 74, Freising 2014, S. 37–45 [PDF-Link]

Kühne, Christian: Verjüngung der Stieleiche (Quercus robur L.) in oberrheinischen Auenwäldern. (Diss.) Göttingen 2004 [PDF-Link]

Reif, Albert / Gärtner, Stefanie: Die natürliche Verjüngung der laubabwerfenden Eichenarten Stieleiche (Quercus robur L.) und Traubeneiche (Quercus petraea Liebl.) – eine Literaturstudie mit besonderer Berücksichtigung der Waldweide. In: Waldökologie online 5 (2007), S. 79–116 [PDF-Link]

Schenk, Winfried: Eichelmastdaten aus 350 Jahren für Mainfranken - Probleme der Erfassung und Ansätze für umweltgeschichtliche Interpretationen. In: Allgemeine Forst- und Jagdzeitung 165 (1994), S. 122-132.

Schröder, Thomas: Über die Eignung verschiedener physikalisch-technischer Verfahren zur phytosanitären Behandlung und zur Lagerung von Forstsaatgut unter besonderer Berücksichtigung der Stiel- und Traubeneiche. Mitteilungen aus der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft, Heft 360. Berlin 1999

Wasem, Ulrich / Häne, Koni: Einflüsse von Mäusen, Rehen und Brombeeren auf natürlich verjüngte Stieleichen. In: Wald und Holz 87, 3 (2006), S. 49–51 [PDF-Link]

Wohlgemuth, Thomas / Nussbaumer, Anita / Burkart, Anton / Moritzi, Martin / Wasem, Ulrich / Moser, Barbara: Muster und treibende Kräfte der Samenproduktion bei Waldbäumen Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen 167 (2016) 6, S. 316‑324 [PDF-Link]


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