Archäologische Nachweise für die Nutzung von Eicheln

Für gewöhnlich bleiben langfristig von den Bestandteilen einer Eichel, also den Keimblatthälften, Fruchtwänden, Fruchtbechern oder Korkscheiben, keinerlei Spuren erhalten. Lediglich dauerfeuchte Böden bieten Voraussetzungen, unter denen Eichelreste eventuell die Zeiten überdauern können, während in Trockenbodensiedlungen bestenfalls verkohlte Eicheln von der Zersetzung durch Bodenorganismen verschont bleiben. Trotzdem konnten an zahlreichen archäologischen Fundplätzen Überreste von Eicheln nachgewiesen werden.

Eichelnachweise an prähistorischen Fundplätzen

Bei zahlreichen archäologischen Ausgrabungen an prähistorischen Siedlungsplätzen Mitteleuropas sind Eichelüberreste in Befunden nachgewiesen worden, die Belege dafür liefern, dass Ackerbauern seit dem Neolithikum diese Nussfrüchte gesammelt haben.

• Zusammenstellungen in der Sekundärliteratur

Eine umfangreiche Auflistung prähistorischer Fundplätze in Mitteleuropa, an denen Eicheln als Anhäufungen oder Gefäßinhalte geborgen werden konnten, ist zu finden in der Publikation von Karg/Haas 1996, S. 432.
Die Liste zeigt, dass Eicheln besonders häufig an bronzezeitlichen Fundstellen, und zwar meistens in verkohlter Form, nachgewiesen worden sind. Zudem hat man mehrfach Eicheln zusammen mit Überresten anderer wildwachsender Sammelfrüchte, v. a. mit Wildäpfeln und Haselnüssen, gefunden.

Eine Zusammenstellung von Eichelfunden an prähistorischen Siedlungsplätzen enthält auch die Arbeit von Bergmann 2007 (S. 331‑333).
Auch Bergmann stellt fest, dass die Befunddichte in der Bronzezeit besonders hoch ist (S. 333 f.).

• Einzelne Fundplätze

Neolithikum:

◦ Arbon Bleiche 3, Kanton Thurgau, Schweiz (Hosch 2004)

◦ Gammelsdorf-Rehbach, Lkr. Freising, Bayern (Zach 2016)

Geschälte und halbierte Eicheln, verkohlt.

Bronzezeit:

◦ Oespeler Bach, Dortmund, Nordrhein-Westfalen (Brink-Kloke / Meurers-Balke 2003)

Geschälte Eicheln in 15 Vorratsgruben, verkohlt.

◦ Rhede, Kr. Borken, Nordrhein-Westfalen (Deiters 2008)

Geschälte Eicheln in Vorratsgruben, verkohlt.

◦ Oeversee, Kr. Schleswig-Flensburg, Schleswig-Holstein (AdW-Mainz)

Massenfund von verkohlten, bereits geschälten Eicheln in drei Siedlungsgruben bei Oeversee bei Ausgrabungen in den Jahren 2006-2009.

◦ Landesbergen, Lkr. Nienburg/Weser, Niedersachsen (Berthold 2013)

Mindestens 419 geschälte Eichelhälften, verkohlt.

◦ Steinbach (Taunus), Lkr. Hochtaunuskreis, Hessen (FNP 2017)

Laut einer Meldung der Frankfurter Neuen Presse hat man in Bodenproben aus einer Grube, die bei archäologischen Ausgrabungen 2016 unter Leitung von F. Schwellnus freigelegt worden ist, eine größere Menge verkohlte Eicheln nachgewiesen.

◦ Bötzingen am Kaiserstuhl, Lkr. Breisgau-Hochschwarzwald, Baden-Württemberg (Kaszab‑Olschewski / Zach 2019)

2017 wurden an einem spätbronzezeitlichen Fundplatz in zwei Keramikgefäßen geschälte, verkohlte Eicheln nachgewiesen.


Eichelnachweise an mittelalterlichen Fundplätzen

◦ Sellen in der Steintorfeldmark, Burgsteinfurt, Kr. Steinfurt, Nordrhein-Westfalen
(Jentgens 2005 u. 2009)

Bei einer archäologischen Grabung in den Jahren 2001 und 2002 wurden auf dem Gelände eines hochmittelalterlichen Gehöfts sieben Kastenkonstruktionen aus Holz freigelegt. Die aus dem 10. Jahrhundert stammenden Holzkästen waren im Grundwasserbereich des Bodens eingebaut und enthielten größere Eichelmengen in Schichtbereichen, die der ursprünglichen Nutzung zuzurechnen waren (in einem Fall wies die Eichelschicht noch eine Mächtigkeit von 10 cm auf, was einer Zahl von ca. 20 000 noch im Kasten vorhandenen Eicheln entspricht, vgl. J. Meurers-Balke / S. Schamuhn: Archäobotanik in Sellen Steintorfeldmark. In: Jentgens 2009, S. 37). Die Art der Anlage legt die Schlussfolgerung nahe, dass die Kästen dereinst dazu gedient haben, Eicheln vom Grundwasser umspült zu bevorraten.
Die sieben Eichelkästen wiesen Kantenlängen zwischen 1 und 2 m und Höhen zwischen 0,2 und 1,5 m auf. Das Fassungsvermögen des kleinsten Kastens betrug 0,36 m³ und das des größten Kastens lag bei 1,18 m³. In der Summe war es möglich, in den sieben Vorratskästen 5,64 m³ Eicheln zu lagern.
Der große Aufwand, den der Einbau der sieben Holzkästen in den Boden bedeutet haben dürfte, spricht nach Ansicht des Grabungsleiters Gerard Jentgens gegen eine Bestimmung der eingelagerten Eicheln zur Schweinefütterung. Seiner Ansicht nach dienten die Kastenkonstruktionen nicht allein der Bevorratung, sondern auch der Aufbereitung von Eicheln, die, nachdem das in ihnen enthaltene, für den menschlichen Organismus schädliche Tannin durch die wasserumspülte Lagerung gelöst und ausgespült worden war, auch von Menschen verzehrt werden konnten. (Jentgens 2005, S. 513)

◦ Neuenkirchen-Offlum (Kr. Steinfurt), Metelen (Kr. Steinfurt) und Bocholt (Kr. Borken), Nordrhein‑Westfalen

Nach Entdeckung der Eichelvorratskästen in der Steintorfeldmark ist G. Jentgens der Frage nachgegangen, ob bei anderen archäologischen Untersuchungen früh- und hochmittelalterlicher Siedlungen in der Region bereits ähnliche Anlagen freigelegt, aber nicht als Einrichtungen zur Eichelbevorratung erkannt worden sind. Und tatsächlich lagen an drei weiteren Fundplätzen, nämlich in Neuenkirchen-Offlum, Metelen und Bocholt, Befunde vor, die als vergleichbare Konstruktionen zur gewässerten Aufbewahrung von Eicheln gedeutet werden können (Jentgens 2009, S. 29 f.).

◦ Dorsten, Nonnenkamp, Kr. Recklinghausen, Nordrhein-Westfalen (Pfeffer 2018)

Eine größere Menge Eicheln konnte im Jahre 2017 bei der archäologischen Grabung auf dem Gelände einer hochmittelalterlichen Hofstelle im Sediment, das sich im Inneren einer runden Grube befunden hatte, nachgewiesen werden. Die den Grundwasserbereich erreichende Grube wurde von einem Bottich aus Flechtwerk mit einer äußeren Begrenzung aus Eichenholz-Staken ausgekleidet, besaß einen Durchmesser von 1,55 m und konnte schätzungsweise 1,5 m³ Eicheln aufnehmen. Ein schmaler Graben, mit dem sie verbunden war, hat ihr zudem bei Regen Wasser zugeführt. Zwar unterschied sich die wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts genutzte Grube in ihrer Ausgestaltung von den Burgsteinfurter Holzkästen, aber in beiden Fällen lag dasselbe Funktionsprinzip zugrunde. Daher ist anzunehmen, dass die in Dorsten freigelegte Grube, deren durchlässiges Flechtwerk einen permanenten Wasseraustausch erlaubte, einst zur Eichelwässerung angelegt worden ist.
Zwei weitere, in der Nähe gefundene Gruben mit Wasserzulauf besaßen möglicherweise denselben Verwendungszweck.

◦ Bocholt-Mussum (Hof Groß-Egeling), Kr. Borken, Nordrhein-Westfalen (LWL Presse-Info 2020)

Bei der archäologischen Grabung im Bereich einer mittelalterlichen Hofstelle wurden 2019 Reste geschälter Eicheln in zwei durch Grundwasser konservierten Holzkästen gefunden. Auch hier wird vermutet, dass die Kästen dem Zweck dienten, Eicheln durch die Aufbewahrung im Wasser von Tannin zu befreien und sie somit für Menschen genießbar zu machen.


Literatur

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (AdW-Mainz) – Website: https://www.siedlungen-bronzezeit.adwmainz.de/palaeobotanik.html (abgerufen am 07.01.2018)

Bergmann, Swantje: Eicheln als Nahrungsmittel. Alltägliches Nahrungsmittel oder Indikator für Nahrungsknappheiten? In: Archäologie zwischen Befund und Rekonstruktion. Ansprache und Anschaulichkeit. (Festschrift für Prof. Dr. R. Rolle), Frank M. Andraschko / Barbara Kraus / Birte Meller (Hrsg.), Schriftenreihe Antiquitates, Band 39; Hamburg 2007, S. 327-338

Berthold, Jens: Grenzgänger aus der Bronzezeit und weitere Funde entlang der Mittelweser. In: Archäologie in Westfalen-Lippe 2013, S. 70-72 [PDF-Link]

Brink-Kloke, Henriette: Eicheln, Gerste und Weizen: Vorräte der frühen Bronzezeit am Oespeler Bach. In: Westfalen in der Bronzezeit. Daniel Bérenger und Christoph Grünewald (Hrsg.), Münster 2008, S. 66 [PDF-Link]

Brink-Kloke, Henriette / Meurers-Balke, Jutta: Siedlungen und Gräber am Oespeler Bach (Dortmund) – eine Kulturlandschaft im Wandel der Zeiten. In: Germania 81, 2003, S. 47-146

Deiters, Stephan: Bronzezeitliche Bauernhöfe aus Rhede und Telgte. In: Westfalen in der Bronzezeit. Daniel Bérenger und Christoph Grünewald (Hrsg.), Münster 2008, S. 79 f. [PDF-Link]

Frankfurter Neue Presse (FNP). 29.05.2017: Am Alten Cronberger Weg finden Archäologen Amphoren und mehr. [WWW-Link]

Hosch, Sabine L.: Ackerbau und Sammelwirtschaft in der neolithischen Seeufersiedlung Arbon Bleiche 3 (3384-3370 v. Chr.), Kanton Thurgau, Schweiz. (Diss.) Basel 2004 [PDF-Link]

Jentgens, Gerard: In der Not Eichelbrot ... Die hochmittelalterliche Siedlung in der Steintorfeldmark in Burgsteinfurt. In: Von Anfang an. Archäologie in Nordrhein-Westfalen (Begleitbuch zur Landesausstellung). H. G. Horn / H. Hellenkemper / G. Isenberg / J. Kunow (Hrsg.), Köln 2005, S. 513-515

Ders.: Von Bauern und Schmieden im Mittelalter. Archäologie im Kreis Steinfurt. Münster 2009

Jülich, Patrick: Der Niederrheiner und seine Eicheln – metallzeitliche Gruben- und Grabbefunde aus Bislich. In: Archäologie im Rheinland 2013, 2014, S. 93–95.

Ders: Eicheln als Bestandteil der metallzeitlichen Ernährung am unteren Niederrhein und weitere Ergebnisse einer archäologischen Untersuchung im bronze- und eisenzeitlichen Gräberfeld von Wesel-Bislich. In: Natur am Niederrhein 2014, Heft 1, S. 27-42

Karg, Sabine / Haas, Jean Nicolas: Indizien für den Gebrauch von mitteleuropäischen Eicheln als prähistorische Nahrungsressource. In: Spuren der Jagd – Die Jagd nach Spuren. (Festschrift für H. Müller-Beck) I. Campen / J. Hahn / M. Uerpmann (Hrsg.). Tübinger Monographien zur Urgeschichte Band 11, Tübingen 1996, S. 429‑435

Kaszab‑Olschewski, Tünde / Zach, Barbara: Essbare Eicheln aus Bötzingen am Kaiserstuhl. In: Archäologische Berichte 30, 2019, S. 211‑221 [PDF-Link]

Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) – www.lwl.org, Newsroom – Presse-Info, Mitteilung vom 19.06.2020 (abgerufen am 12.11.2020) [WWW-Link]

Mason, S. L. R.: Fire and Mesolithic subsistence — managing oaks for acorns in northwest Europe? In: Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology, Volume 164, 2000, S. 139-150 [WWW-Link]

Meurers-Balke, Jutta: Archäobotanik in der Bodendenkmalpflege in Nordrhein-Westfalen. In: Von Anfang an. Archäologie in Nordrhein-Westfalen (Begleitbuch zur Landesausstellung). H. G. Horn / H. Hellenkemper / G. Isenberg / J. Kunow (Hrsg.), Köln 2005, S. 189-194

Pfeffer, Ingo: Ein hochmittelalterlicher Bauernhof vor den Toren von Dorsten. Die Ergebnisse der Ausgrabung am Nonnenkamp. LWL-Archäologie für Westfalen, Münster 2018 [PDF-Link])

Zach, Barbara: Von Straßenbauern, Heilkundigen und Feinschmeckern. Archäobotanische Erkenntnisse stecken in jeder Grabung. In: Denkmalpflege Informationen. Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege (Hrsg.), Nr. 164, Juli 2016, S. 36-39 [PDF-Link]


Weitere Literaturangaben sind auf den anderen Seiten dieser Website zu finden.